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Der grosse Graben

Am Mittwoch (09.12.) hat das unsägliche Massenblatt aus dem Hause Springer mal wieder eine Ladung von Vermutungen und Spekulationen zum VfB Stuttgart veröffentlicht. Enthalten ist nichts von Substanz, aber es wird dazu reichen, Unruhe zu erzeugen und vielleicht sogar das Klima VfB-intern (weiter?) zu vergiften. Eigentlich sollte man so etwas deswegen ja ignorieren (wie mit allem, was die Bild produziert), aber trotzdem lohnt sich meiner Meinung nach ein kurzer Blick auf diesen Themenkomplex.

Im Artikel wird impliziert, dass im Verein der Unmut über Aussagen oder Handlungen von Claus Vogt wächst. Ich schaue ja nur von Außen auf den Club, aber ich kann mir vorstellen, dass das sogar stimmt. Allerdings würde ich vermuten, dass die Ursachen ganz andere sind.

Gehen wir doch mal ein paar Wochen zurück: Der Kicker veröffentlicht den Artikel zu den Datenleaks und beim VfB entsteht eine hektische Aktivität. Besonders eilig scheint es damals der Vereinsbeirat (oder einzelne Vereinsbeiräte) gehabt zu haben, denn noch bevor sich der VfB tatsächlich auch öffentlich sortiert hatte, wurde schon verkündet, wer denn in den „Lenkungsausschuss“ entsandt werden sollte. Wie bekannt sein sollte, wurde dies später wieder zurückgezogen und mit Marc Nicolai Schlecht eine ganz andere Person benannt. Bis heute stelle ich mir die Frage, was die Intention des Vereinsbeiratsvorsitzenden Erhard dabei war. Wollte er den Mitgliedern gegenüber Handlungsstärke beweisen? Die Rolle des Vereinsbeirates untermauern? Oder vielleicht ein deutliches Signal in den Verein senden, nach dem Motto „Ohne mich geht hier nichts“? Wir wissen es nicht, dennoch lässt dieser Vorgang aufhorchen …

Die Blöd schreibt weiterhin, dass man beim VfB zumindest in Teilen gar nicht mit der Arbeit der Kanzlei Esecon zufrieden sei. Bis auf eine angeblich gestellte Rechnung habe man noch keine Ergebnisse gesehen. Die Mitarbeiter:innen des VfB würden unruhig und es herrsche „Misstrauen“. Nun, die Kanzlei muss zum einen natürlich äußerst sorgfältig arbeiten (das sollte ja eigentlich im Interesse aller sein) und kommt zum anderen natürlich auch nur so schnell voran, wie sie Zugang zu Daten hat oder die notwendigen Gespräche mit betroffenen Mitarbeiter:innen führen kann. Wir wissen selbstverständlich nicht, ob Esecon die Unterlagen vorliegen oder ob das Erinnerungsvermögen der relevanten Personen in ausreichendem Maße vorhanden ist. Natürlich möchte auch ich erfahren, was mit den Daten geschehen ist, aber ich möchte auch eine maximal umfängliche Aufklärung des Ganzen. Und da ist mir dann Genauigkeit lieber als eine Oberflächlichkeit nur um der Geschwindigkeit willen.

Völlig zurecht wird in dem Artikel (für dem man sich im Hause Bild übrigens ob des „kritischen“ Umgangs mit dem aktuellen Präsidenten selber eine Menge Mut zuschreibt) die Personalie Mutschler angesprochen. Natürlich ist es ein sehr unglücklicher Umstand, dass er sowohl Teil des Präsidiums des e.V. als auch in seiner bezahlten Funktion im NLZ tätig ist, denn diese Konstellation könnte Interessenskonflikte mit sich bringen, denn entscheide ich als Mitglied des Präsidiums über den Weg des Aufsichtsrates anders in Belangen meines Arbeitgebers als ohne diese Verbindung? Das wurde schon vor der Wahl auf der letzten Mitgliederversammlung thematisiert und diskutiert, war aber letztendlich kaum zu ändern (es sei denn, die Mitglieder hätten sich tatsächlich für Werner Gass entscheiden wollen). Nun aber Claus Vogt vorzuwerfen, Mutschler nicht aus seinem Amt zu entfernen ist absolut lächerlich, da er diese Kompetenz überhaupt nicht besitzt. In der Satzung des VfB (PDF) heißt es zu einer Abberufung eines Präsidiumsmitgliedes:

Präsidiumsmitglieder können einzeln oder gemeinsam durch die Mitgliederversammlung abberufen werden.

§ 16 Absatz 4 (Hervorhebung von mir)

Hier sind Claus Vogt also die Hände gebunden, er könnte allenfalls persönlich in Gesprächen auf Mutschler einwirken, dass Amt ruhen zu lassen oder zurückzutreten. Überhaupt gar keinen Durchgriff hat der Präsident auf die Beschäftigten der AG, da diese ja in einem eigenen Unternehmen angestellt sind und der Präsident dort keine arbeitsrechtlichen Zuständigkeiten hat (zumindest gehe ich mal davon aus, dass dem AR-Vorsitzenden die entsprechenden Befugnisse in der AG nicht zustehen). Was also soll dann diese Nebelkerze anderes sein, all Vogt weiter in Misskredit bringen zu wollen?

Wie gesagt: Ich schaue von Außen auf den VfB und kann mir nur bis zu einem gewissen Maße ein Bild machen. Ein Bild, dass ganz gewiss nicht vollständig ist. Dennoch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass durch den VfB ein großer Graben geht. Oder vielleicht sogar auch mehrere. Nämlich zwischen Personen, die in der Datengeschichte aufklären wollen und welchen, die da lieber nicht so genau hinschauen. Akteuren, die die althergebrachten Verbindungen und Abläufe gerne erhalten möchten und denen, die dringenden Bedarf für Erneuerungen beim VfB sehen. Und zwischen denen, die eigene Interessen voranstellen und jenen, die tatsächlich das Wohl des Clubs im Auge haben. Weil sich vielleicht auch ihre eigenen Werte fundamental unterscheiden.

Alle, die den VfB schon länger verfolgen, dürften davon nicht überrascht sein. Vielmehr gehört die Klüngelei doch schon fast zur DNA des Vereins. Man muss sich das aber immer wieder bewusst machen, wenn man auf die aktuellen Geschehnisse rund um die Mercedesstraße schaut. In solchen Verhältnissen muss es wahnsinnig schwer sein, echte Veränderungen anzustoßen und den Verein wirklich voran zu bringen. Dass dies funktionieren kann, sehen wir gerade im sportlichen Bereich, wo sich eine tatsächlich funktionierende Konstellation gefunden zu haben scheint, die Veränderungen angeht. Ich würde mir wünschen, dass dies auf den anderen Ebenen auch funktioniert und man sich endlich vom Joch der Vergangenheit befreien kann. Mann muss nicht immer einer Meinung sein und sollte auch leidenschaftlich über Inhalte diskutieren, niemals dürfen aber die eigenen Interessen über denen des VfB stehen.

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